
Der Weg in eine nachhaltige Nutzung von digitalen Technologien
Technologie“Wenn ich 20 Jahre früher geboren wäre, wäre ich wahrscheinlich Informatiker geworden. Leider verlangte die Klimakrise meine Pläne zu ändern.“, erzählte mir Amael Parreaux-Ey, Umweltingenieursstudent an der EPFL und CEO von Resilio, einem Start-up, welches führend in nachhaltigem digitalem Wandel ist. Resilio hilft Unternehmen, den Umweltabdruck ihrer digitalen Tätigkeiten zu beurteilen und zu verringern. Amael kämpft für einen nachhaltigen Umgang mit digitalen Technologien, welche er selbst leidenschaftlich mag.
Zurzeit – und vor allem nachdem die COVID-Pandemie begann– erscheinen uns digitale Technologien wie ein Retter. Als es zu gefährlich war sich zu treffen, waren wir in der Lage zu Hause zu bleiben, dennoch miteinander zu kommunizieren und zu arbeiten. Viele Arbeitsplätze und wahrscheinlich auch die Weltwirtschaft konnten so gerettet werden. Auch im Bezug auf Klimawandel können digitale Technologien wie zum Beispiel künstliche Intelligenz helfen, neue Lösungen zu finden. Tatsache jedoch ist auch, dass IT-Aktivitäten genauso viel CO2 ausstoßen wie der gesamte Flugverkehr zusammen vor der Pandemie. Sicherlich sind CO2 Emissionen durch Flugverkehr sozial ungerechter als digitale Technologien, da nur 11% der Weltbevölkerung vor der Pandemie flogen im Vergleich zu 63 % der Weltbevölkerung, die das Internet fast täglich benutzten. Aber dennoch zeigt uns dies was für ein Problem digitale Technologien geworden sind, um Klimawandel zu bekämpfen. Die meisten dieser Emissionen stammen aus dem Herstellungsprozess der elektronischen Geräte. Ungeachtet dessen produzieren, benutzen und entsorgen wir digitale Geräte als ob es kein Morgen geben würde. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Smartphones in der EU ist weniger als 2 Jahre. Mit der einfachen Methode, die Lebensdauer eines Geräts von einem auf 4 Jahre zu erhöhen, würde jedoch seine Umweltauswirkung um 40 % reduzieren. Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden schon in 6 Jahren Rohstoffe fehlen, um Batterien für Laptops, Telefone oder Autos herzustellen. Diese Zeit ist zu kurz für Forschung um Alternativen zu finden und umzusetzen.
Amael diskutierte diese Thematik mit anderen Studenten der Zero Emission Group der EPFL und startete dann eine Gruppe, die an dem Prinzip „Digital Sobriety“ (übersetzt: digitale Nüchternheit) angelehnt ist. Das Ziel von Digital Sobriety ist die Überkonsumierung von digitalen Produkten und Geräten zu reduzieren. Durch die Wiederherstellung einer rationalen Konsumierung digitaler Produkte soll die Abhängigkeit von wichtigen Rohstoffen, und energiezerrenden Technologien reduziert werden. Dies soll dann auch die Umweltzerstörung drastisch verringern.

Nach Amaels Meinung gibt es jedoch einige Schwierigkeiten den IT-Bereich nachhaltiger zu entwickeln: Zum einen fehlen zurzeit Messmethoden und -daten, die benötigt werden um messbares Handeln einzuleiten. Bis vor 5 Jahren wurde IT verwendet ohne auf den Einfluss auf unsere Umwelt zu achten. Zum anderen wird IT - im Gegensatz zum Flugverkehr - mittlerweile täglich und von jedem benutzt. „Tägliche Angewohnheiten sind viel schwieriger zu ändern als einmalige Aktionen. Wir können schon erkennen, wie schwierig es uns fällt, unsere Essgewohnheiten zu verändern.“, sagt Amael. Ein drittes Problem ist, dass Unternehmen nur widerstrebend die Prinzipien von „Digital Sobriety“ annehmen, da die Reduzierung von Konsum zunächst keinen besseren Umsatz verspricht.
Rationalisierung des digitalen Konsums kann jedoch auch zu Unternehmensvorteilen führen: Weather Force, zum Beispiel, ist ein Unternehmen, welches ein starkes künstliches Intelligenz (AI)-Modell verwendet, um Niederschläge auch in sehr abgelegenen Orten vorherzusagen – eine Dienstleistung, die für Landwirte in diesen Regionen sehr wichtig ist. Ursprünglich war ihre Dienstleistung nur über App abrufbar, was zu einer Abhängigkeit von digitalen Geräten führte. Dies wurde ersetzt durch ein Dorf-Gemeinschaftsabo, bei dem die Daten nur an ein Gerät verschickt werden und andere lokale Methoden der Informationsübertragung genutzt werden, um jeden zu erreichen. Dieses Konzept war in abgelegenen Gegenden, in denen weder Internetverbindungen noch Smartphones gegeben sind, sehr erfolgreich. Mit ihrer neuen Strategie konnte Weather Force mehr Kunden erreichen, seine Abhängigkeit von digitalen Technologien verringern und seine ökonomische Leistung erhöhen.
Nach der Bildung der Studentengruppe „Digital Sobriety“, wollten die EPFL-Studenten wissen, was für einen Einfluss IT in ihrer Universität hat. Dies war eine schwierige Aufgabe, da sich zuvor noch niemand dieses Ziel gesetzt hatte und keine Infrastruktur existierte, um ihr Ziel in die Tat umzusetzen. Dennoch initiierte, maß und schrieb die Gruppe den ersten Bericht über den Umwelteinfluss von EPFL’s Datencenter und digitalen Geräten. Die Gruppe machte zwei Hauptbeobachtungen: Erstens, die Datenzentren der EPFL – normalerweise aufgrund ihres hohen Energiekonsums kritisch gesehen – sind nicht verantwortlich für den größten CO2 Fußabdruck. Stattdessen scheint die Anzahl an vorhandenen digitalen Geräte pro Person das größte Problem zu sein. Die EPFL besitzt pro Angestelltem im Durchschnitt 3 Computer. Die zweite Beobachtung war, dass zurzeit Computer ohne Kontrolle gekauft und nicht effizient verfolgt werden, um sie an den nächsten Angestellten weiterzugeben, wenn sie nicht mehr verwendet werden. Dabei hat besonders der Kauf von Geräten einen hohen Umwelteinfluss. Ohne zentrale Entscheidungsgewalt existiert keine Information, um zu verstehen wie viele Computer tatsächlich benötigt werden. Aus diesem Grund empfahl die Gruppe der EPFL ein „zentrales Organ zu schaffen“, welches dafür verantwortlich sein wird ein System zu entwickeln, um neue digitale Geräte zu erwerben und nachzuverfolgen. Dadurch soll eine Überinvestition in digitale Geräte reduziert werden.
Der Bericht - gegengelesen von akademischen und Industrie-Experten – wurde veröffentlicht und erste Aktionen der EPFL folgten: zum Einen wurde ein Wettbewerb ausgerufen mit dem Ziel das Verhalten gegenüber Digitalem zu überdenken und zu verändern. Zum Anderen versprach die EPFL einen Experten für IT-Nachhaltigkeit einzustellen. Mit dem Bericht machten sich aber auch Veränderungen außerhalb der EPFL sichtbar: Amael wurde von anderen Unternehmen und Universitäten kontaktiert, ähnliche Analysen durchzuführen. Dies führte dazu, dass er Resilio mitgründete.
Während sich Unternehmen und Universitäten langsam verändern, werden auch direkte Aktionen benötigt, bei denen jeder von uns eine Rolle spielt. Ich fragte Amael, was er Anderen rät, um den persönlichen Fußabdruck auf den Planeten im Bezug aufs digitale zu verkleinern. Seine Antwort kam prompt und deutlich: „Behalte Deine elektronischen Geräte so lange wie möglich und wenn Du ein neues Gerät brauchst, kauf ein second-hand Gerät. Die meisten Leute haben ohnehin zu viele ungenutzte Geräte zu Hause. Dadurch wird sich Dein Umwelteinfluss stark verringern.”
Fact check:
Baldé, C.P., Forti V., Gray, V., Kuehr, R., Stegmann,P. : The Global E-waste Monitor – 2017, United Nations University (UNU), International Telecommunication Union (ITU) & International Solid Waste Association (ISWA), Bonn/Geneva/Vienna.
Fraser, J., Anderson, J., Lazuen, J., Lu, Y., Heathman, O., Brewster, N., Bedder, J. and Masson, O., Study on future demand and supply security of nickel for electric vehicle batteries, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2021, ISBN 978-92-76-29139-8, doi:10.2760/212807, JRC123439
Gössling, S. & Humpe, A. The global scale, distribution and growth of aviation: Implications for climate change. Glob. Environ. Chang. 65, 102194 (2020).
https://datareportal.com/global-digital-overview
Um den ganzen EPFL Bericht zu lesen, besuche: Zero Emission Group
Um Amael's Unternehmen zu besuchen: Resilio-Solutions
Vielen Dank an Anna Näger und Chloé Morel für Verbesserungsvorschläge.
Titelbild von Markus Spiske auf unsplash