

Charles Darwin und seine Familie wurden von der kleinen fleischfressenden Pflanze „Drosera“ – auch bekannt als Sonnentau – verzaubert. Sie waren fasziniert wie Drosera seine Beute fängt. Der Mechanismus zum Fangen der Beute beinhaltet viele Prozesse, die wir heute häufig mit Tieren und nicht mit Pflanzen verbinden – so zum Beispiel die Verwendung von elektrischen Signalen, Hormonen oder die Produktion von Enzymen zur Verdauung. Drosera lebt in nährstoffarmen Feuchtgebieten, die wichtig für unseren Kampf gegen den Klimawandel sind. Viele fleischfressende Pflanzen sind jedoch durch den Verlust ihrer Heimat bedroht unseren Planeten für immer zu verlassen, zum Beispiel durch den erhöhten Eintrag von Nährstoffen durch Düngemittel oder Umweltverschmutzung. Auch werden sie häufig dadurch bedroht, dass sie in der Wildnis gesammelt werden und dann an unwissende Kunden verkauft werden oder durch das Trockenlegen von Moorgebieten zum Abbau von Torf für Blumenerde.
Wir alle kennen Charles Darwin durch sein bekanntes Buch „Über den Ursprung der Spezies“, publiziert im Jahr 1859, welches mit seinen Ideen über evolutionäre Anpassung und natürliche Selektion zum Fundament der modernen Evolutionstheorie wurde. Ich kann mir schon vorstellen, dass in vielen eurer Köpfe nun ein Bild mit einem Affen auf der linken Seite erscheint, der sich langsam zu einem Menschen auf der rechten Seite entwickelt (vielleicht mit Krönung der Evolution ganz rechts, zum Beispiel ein Tänzer, Kletterer oder ein Mensch, der am Computer arbeitet). Ja genau – das ist der Darwin, den wir kennen! Aber es gibt auch eine andere Seite von Darwin, die oft vergessen wird, aber trotzdem fundamental wichtig für die moderne Wissenschaft ist. Tatsächlich scheint er selbst von seiner „anderen“ Arbeit viel begeisterter gewesen zu sein, da er selbst sagte: „Ich interessiere mich mehr für Drosera als für die Herkunft aller Spezies auf dieser Welt“. „Drosera“ war eine Besessenheit für die ganze Darwin Familie. Charles’ Großvater Erasmus Darwin ist vor allem durch seine lustigen Gedichte bekannt, in denen er Pflanzen vermenschlicht und dann ihr Sexleben beschreibt. Darin beschreibt er Drosera als „Königin des Sumpfes“, „mit einer schlanken Taille“, die eine „Zone aus zitternden Diamanten um die Brauen“ hat. Charles Darwin war 16 Jahre lang unter dem Zauber Droseras, bis er ein Buch über sie und ähnliche Spezies veröffentlichte. 2 seiner 10 Kinder halfen ihm bei den Zeichnungen für das Buch. Seine Frau schien eifersüchtig zu werden, da sie in einem Brief an eine Freundin schrieb: „Im Moment behandelt er Drosera genauso wie eine lebende Kreatur und ich glaube, er hofft zu beweisen, dass es sich um ein Tier handelt.“ Doch wer ist „Drosera“, für die Charles so viel Zeit opferte? Es handelt sich um eine kleine Pflanze, die immer noch Jung und Alt fasziniert: die fleischfressende Pflanze „Sonnentau“.
Warum genau war Charles so an dieser kleinen Pflanze interessiert? Darwin war vor allem fasziniert von der Beobachtung, dass Pflanzen nicht nur in einer vegetativen Form existieren, sondern stattdessen Entscheidungen treffen können, wie zum Beispiel das Wachstum in Richtung Licht. Eine Pflanze, die die Ernährungstafel, bei der normalerweise Tiere Pflanzen fressen, umdreht, war ein anderes Beispiel warum Pflanzen sehr ähnlich wie Tiere sind.
Das Wunder der Falle
Wenn Charles in der Zeit reisen könnte und heute erscheinen würde, wäre er wahrscheinlich entzückt zu sehen, wie weit wir gekommen sind, um seine kleine Liebe zu verstehen. Heute wissen wir – auch wenn das Thema vielleicht nicht so bekannt in Pop-Wissenschaften ist wie die Big Bang Theorie – dass Pflanzen viele Charakteristiken mit Tieren teilen. Das wird deutlich, wenn wir uns genauer anschauen wie der Sonnentau seine Beute fängt: Die Blätter des Sonnentaus sind bedeckt mit vielen Tentakeln, die an ihrer Spitze kleine Drüsen besitzen, die Schleim produzieren – ähnlich wie die Drüsen in unserem Darm. Dieser Schleim bildet kleine Tröpfchen, die wie Tau erscheint und daher dem „Sonnentau“ seinen Namen verlieh. Sobald ein Insekt mit dem Schleim in Kontakt kommt, ist das Insekt gefangen und versucht der Falle zu entkommen. Doch damit macht die Fliege alles noch viel schlimmer. Der Kampf sorgt für elektrische Signale – ähnlich wie in unseren Nervenbahnen – die von der Spitze zu der Basis des Tentakels wandert. Das Tentakel biegt sich um und bringt die Beute vom Äußeren zum Inneren des Blattes. Die Beute kommt dadurch mit anderen Tentakeln in Kontakt. Das verstärkte elektrische Signal führt nun zur Krümmung von Tentakeln, die vorher nicht mit der Beute in Kontakt waren. Die Beute wird vollständig mit Schleim überzogen. Ausserdem führen die elektrischen Signale zur Ausschüttung des Pflanzenhormons Jasmonsäure – ja genau, Pflanzen benutzen genauso wie wir Hormone. Das Hormon in Verbindung mit Chitin, welches von dem Skelett des Insekts stammt, sorgt für die Produktion und Sekretion von verdauenden Enzymen. Das Blatt wird zum Magen der Pflanze. Schließlich können die verdauten Bestandteile der Beute über bestimmte Kanäle im Blatt aufgenommen werden – und damit wird der Magen zum Darm.
Der Sonnentau ist eine von 583 zurzeit bekannten fleischfressenden Pflanzen. Auf welche Art sie Insekten fangen ist unglaublich vielfältig. Manche von ihnen haben Schnappfallen wie die Venusfliegenfalle. Andere wiederum leben unter Wasser und fangen schwimmende Insekten wie Staubsauger. Doch warum entwickelten Pflanzen diese merkwürdigen Strategien? Sie alle haben eine Sache gemeinsam: sie leben in Gegenden, in denen der Boden kaum Nährstoffe enthält und daher die Aufnahme von Nährstoffen über die Wurzel zu gering ist. Als ob das nicht genug wäre, haben sich die Pflanzen an extreme Standorte angepasst. Die Venusfliegenfalle zum Beispiel bewohnt heiße, nährstoffarme Feuchtgebiete, bei denen alle 4-5 Jahre Feuer wüten, die alle schneller wachsenden Pflanzen abtötet. Diese Ökosysteme sind sehr selten auf unserer Erde. Die Venusfliegenfalle kommt daher nur in einer kleinen Region zwischen North und South Carolina in den USA vor. Tatsächlich haben fleischfressende Pflanzen Nachteile gegenüber anderen Pflanzen. Sie wachsen sehr langsam, sind klein und manche von ihnen – zum Beispiel der Sonnentau, bei dem der Schleim das Sonnenlicht reflektiert – haben eine schlechte Effizienz der Photosynthese, die aber benötigt wird um Energie zu produzieren. Außerhalb ihrer Nischen werden fleischfressende Pflanzen daher schnell von anderen Pflanzen überwachsen.
Jedes Jahr publiziert die Organisation International Union for Conservation of Nature (IUCN) die rote Liste, welche Spezies aufzählt, die gefährdet sind unseren Planeten für immer zu verlassen. Nur 17 % der existierenden fleischfressenden Pflanzen wurden zurzeit analysiert, doch davon sind 56 % bedroht. Das größte Problem dieser Pflanzen ist die Verschmutzung der Umwelt durch Landwirtschaft und Urbanisierung, was zu einem Eintrag an Nährstoffen in die sonst nährstoffarme Heimat der fleischfressenden Pflanzen führt. Andere Pflanzen bekommen nun einen Vorteil, da sie über ihre Wurzeln besser Nährstoffe aufnehmen können als fleischfressende Pflanzen, die nur verkümmerte Wurzeln besitzen. Auch wenn wir heute das Wissen besitzen wie manche fleischfressenden Pflanzen gezüchtet werden können, werden sie immer noch in der Wildnis gesammelt und an Kunden verkauft, bei denen die Pflanze innerhalb weniger Monate stirbt. Es erfordert mehr als nur einen grünen Daumen, um fleischfressenden Pflanzen die idealen Bedingungen zum Überleben zu bringen. Natürlich sind fleischfressende Pflanzen super, um zum Beispiel die Faszination für Pflanzen bei Kindern zu erwecken (ich gebe zu, dass ich selbst eine hatte – die aber auch nach einem Jahr starb). Muss es aber unbedingt eine fleischfressende Pflanze sein? Wenn Du Dich trotzdem für eine fleischfressende Pflanze entscheidest, informiere Dich genau, ob die Pflanze in einem Gartencenter gezüchtet wurde oder ob sie in der Wildnis gesammelt wurde.
Wähle die richtige Gartenerde, um das Klima und die Königin des Sumpfes zu schützen
Ein anderer Risikofaktor – vor allem für unser Herzblatt “Sonnentau” ist das Trockenlegen von Feuchtgebieten, um zum Beispiel Torf zu gewinnen, welches exzessiv in Gartenerde verwendet wird. Torf ist ein sehr langsam wachsendes Moos, welches sich in den sauerstoffarmen Feuchtgebieten nicht vollständig zersetzt. Da das Moos CO2aufnimmt und durch den teilweisen Zerfall sein Kohlenstoff nicht wieder an die Atmosphäre abgibt, gelten Feuchtgebiete als extrem wichtige Zonen um den Klimawandel zu bekämpfen. Wenn Torf jedoch in Gartenerde verwendet wird, baut es sich schnell vollständig ab und gibt CO2ab. Daher zerstört die Verwendung von Torf in Gartenerde den positiven Effekt von Torfbildung auf unser Klima. Da Torf scheinbar in der ganzen Gartenindustrie verwendet wird, kann Torf nicht so schnell nachgebildet werden wie es abgebaut wird. Mehr und mehr Feuchtgebiete müssen daher trockengelegt werden. Manche gutgemeinten Initiativen führen ins Leere: In Deutschland zum Beispiel werden gar keine Lizenzen mehr vergeben um Torf abzubauen. Da jedoch die Konsumierung von Torf nicht nachgelassen hat, wird nun Torf aus osteuropäischen Ländern herbeitransportiert. Dadurch wird die Klimabilanz für das Verwenden von Torf noch schädlicher für die Umwelt und das Klima. Wenn Du also ein leidenschaftlicher Gärtner bist, der sich für das Klima einsetzen will, probiere einmal die Gartenerde ohne Torf aus. Aber sei vorsichtig bei Deiner Wahl. Tatsächlich musst Du die Inhaltsstoffe deiner Gartenerde genau durchlesen. Viele „torfreduzierte Gartenerden“ haben immer noch einen Torfanteil von 80 %. Außerdem kann „Bio- oder Ökoerde“ tatsächlich zu 100 % aus Torf bestehen und nicht nachhaltig abgebaut worden sein, da für Erde kein Gütesiegel existiert. Wenn Du dies beachtest, genieß weiterhin die Gartenarbeit bei der die Heimat unserer Königin des Sumpfes geschützt wird.
Um weiter die wissenschaftlichen Artikel (die Wichtigsten) zu lesen:
David E. Jennings, Jason R. Rohr (2011); A review of the conservation threats to carnivorous plants; Biological Conservation Vol 144:5, https://doi.org/10.1016/j.biocon.2011.03.013
Mithöfer A. What Darwin only divined: unraveling the hierarchy of signaling events upon prey catch in carnivorous sundew plants. New Phytol. 2017;213(4):1564‐1566. doi:10.1111/nph.14463
Krausko M, Perutka Z, Šebela M, et al. The role of electrical and jasmonate signalling in the recognition of captured prey in the carnivorous sundew plant Drosera capensis. New Phytol. 2017;213(4):1818‐1835. doi:10.1111/nph.14352
Rutishauser, Rolf. (2009). Vom Milch trinkenden Sonnentau (Drosera spec.) zum schlafenden Wassersalat (Pistia spec.): Charles Darwin als Botaniker. 10.5167/uzh-25234.
Weblink über die Verwendung von Torf in Deutschland https://www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/umwelt/torf-unersetzlich-oder-verzichtbar
Dank an Bergadder von Pixabay für das Bereitstellen des Titelbildes.
Hallo Nils,
die “andere” wissenschaftliche Arbeit von Darwin ist dir in dieser Kürze gut gelungen. Dies gilt auch
für die Fangfunktion des Sonnentaus. Sehr anschaulich beschrieben. Das Ganze bekommt seine
ökologische Bedeutung mit dem Torfabbau und dem heutigen Gartenbau. Ja, die Menschen
wissen vieles, sehen es auch ein und handeln aber “sündhaft”.